Eine Umfrage der Universitätsklinik Halle
Wirkt sich das Wissen um die eigene Zöliakie auf die Familienplanung aus? Dieser Frage ging eine Arbeitsgruppe der Universitätsklinik Halle nach. Fast 700 Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz nahmen an einer entsprechenden Umfrage teil. Sie wurden befragt, welche Sorgen und Kenntnisse hinsichtlich der Familienplanung, Schwangerschaft und Vererbbarkeit bei Patientinnen mit Zöliakie bestehen.
Im Fokus der Befragung standen vier Aspekte: Die Zufriedenheit der Betroffenen mit der medizinischen Versorgung und Beratung; die konkreten Sorgen zum Thema Familienplanung mit Zöliakie; das Erfassen von Kinderlosigkeit und Schwangerschaftskomplikationen; der Kenntnisstand grundsätzlich.
45 Prozent der befragten Frauen wurden von ihrem Hausarzt oder Hausärztin betreut und 32 Prozent von Gastroenterologen, also Fachmedizinern und –medizinerinnen. Die größte Bedeutung als Informationsquelle zum Themenbereichen Zöliakie und Schwangerschaft haben für die Befragten ihre Frauenärztinnen und –ärzte, Fachmediziner und die jeweiligen nationalen Zöliakie-Organisationen.
Die Befragten sollten auf einer Skala von 0-10 ihre Zufriedenheit mit der ärztlichen Beratung einschätzen, wobei 0 „überhaupt nicht zufrieden“ und 10 „voll und ganz zufrieden“ bedeutete. Insgesamt war die Zufriedenheit mit der Beratung nur mittelmäßig. Mit der Beratung zu den Themen „Einfluss von Zöliakie auf die Fruchtbarkeit“, sowie „Risiken einer Schwangerschaft mit Zöliakie“ waren die Befragten im Durchschnitt noch unzufriedener. Beinahe 100 Patientinnen vergaben hier 0 Punkte und waren überhaupt nicht zufrieden. Auch mit der Beratung zum Thema „Risiko der Vererbung einer Zöliakie an die eigenen Kinder“ waren die Umfrageteilnehmerinnen nicht besonders zufrieden.
Bei den Fragen „Waren Sie jemals in Sorge, dass die Zöliakie Einfluss auf Ihre Familienplanung hat?“ und “Waren Sie jemals in Sorge, durch die Zöliakie Schwierigkeiten zu haben schwanger zu werden?“ gab es eine interessante Beobachtung: die Antworten teilten sich klar in zwei Lager. Die befragten Frauen waren entweder überwiegend gar nicht besorgt oder aber sehr besorgt. Im Gegensatz dazu zeigten sich Frauen bei der Frage „Waren Sie jemals in Sorge, durch die Zöliakie Schwangerschaftskomplikationen (wie Frühgeburt, Fehlgeburt, etc.) zu erleiden?“ eher unbesorgt. Die Frage „Waren Sie jemals in Sorge, dass ihr Kind durch die Zöliakie ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen haben könnte?“ besorgte die befragten Frauen so gut wie gar nicht. Eine sehr große Besorgnis zeigten die Frauen dagegen der Frage „Waren Sie jemals in Sorge, die Zöliakie an ihr Kind zu vererben?“
Das Forschungsteam aus Halle hat sich ebenfalls mit der Frage beschäftigt, ob Frauen mit Zöliakie eine höhere Kinderlosigkeit aufweisen. Ein Vergleich der Kinderlosenquote im Jahr 2022 aus den Daten des Statistischen Bundesamtes in Deutschland mit der Kinderlosenquote der befragten Frauen konnte tatsächlich eine höhere Kinderlosigkeit in der Altersgruppe 25 bis 39 Jahre feststellen.
Interessant auch ein Blick auf die Auswertung der Wissensfragen. Zwar haben die befragten Frauen durchschnittlich mindestens vier der sechs Fragen richtig beantwortet. Allerdings lagen die Falschantworten bei vier der sechs Fragen zwischen 25 und 36 Prozent. Daraus lässt sich schließen, dass spezifische Wissenslücken bestehen.
Studienergebnisse zum Zusammenhang von Zöliakie und Unfruchtbarkeit, sowie zu Schwangerschaftskomplikationen sind nicht einheitlich. Einige Studien deuten darauf hin, dass eine unbehandelte Zöliakie mit einem erhöhten Risiko für Unfruchtbarkeit verbunden ist, andere Untersuchungen konnten diese Beobachtung jedoch nicht bestätigen. Ein gering erhöhtes Risiko für Schwangerschaftsübelkeit, Thrombosen, Fehlgeburten, zu niedriges Geburtsgewicht, Totgeburten und Frühgeburten wurde insbesondere bei Patientinnen mit unbehandelter Zöliakie festgestellt. „Unbehandelt“ bedeutet hier, dass keine glutenfreie Ernährung eingehalten wird. Ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen besteht jedoch auch bei dieser Gruppe von Patientinnen nicht.
Bei einer neu diagnostizierten Zöliakie wird Frauen, die noch nicht auf eine glutenfreie Ernährung umgestellt wurden oder dies gerade erst tun, geraten, den Kinderwunsch aufzuschieben, um Komplikationen vorzubeugen. Empfohlen wird der Ausgleich von Untergewicht und eines Nährstoffmangels, falls vorhanden. Eine glutenfreie Ernährung sollte für mindestens sechs Monate eingehalten werden. Vor einer geplanten Schwangerschaft sollte eine erneute Blutuntersuchung auf die Zöliakie-typischen Antikörper erfolgen. Während der Schwangerschaft ist in der Regel keine erneute Testung notwendig. Eine Entnahme einer Gewebeprobe aus dem Dünndarm wird im Rahmen der Schwangerschaft nicht empfohlen.
Wichtig zu wissen ist, dass die Einhaltung einer konsequenten glutenfreien Ernährung zu einer deutlichen Verringerung des Risikos von Schwangerschaftskomplikationen führt. Das Risiko entspricht demnach unter glutenfreier Ernährung dem Risiko „gesunder“ Frauen. Der Mehrheit der Patientinnen war bekannt, dass auch in der Schwangerschaft die glutenfreie Ernährung fortgeführt werden soll. 20 Prozent der Befragten nahmen jedoch irrtümlich an, dass eine Zöliakie keinen Einfluss auf Fruchtbarkeit und Schwangerschaft habe. Dies zeigt die Relevanz der Aufklärung zu diesem Thema!
Da viele Frauen die Zöliakie-Diagnose erst erhalten, wenn sie bereits Kinder geboren haben, stellt sich rückblickend die Frage, ob eine bestehende Unfruchtbarkeit oder Schwangerschaftskomplikationen mit der Zöliakie in Verbindung stehen. Es wird daher über die Einführung eines Screenings auf Zöliakie bei Frauen mit Kinderwunschbehandlung diskutiert.
Fazit
Die Befragung zeigt ein wichtiges Ergebnis: bei den Frauen mit Zöliakie konnte eine höhere Kinderlosigkeit in den Altersgruppen 25 bis 39 Jahren festgestellt werden.
Aus den Antworten in der Umfrage ist erkennbar, dass betroffene Frauen häufig unzufrieden mit der Beratungssituation zu dem Thema Kinderwunsch mit Zöliakie sind. Die Ergebnisse der Umfrage legen nahe, dass hier eine Beratungslücke herrscht, die durch einen besseren Austausch zwischen den medizinischen Fachbereichen geschlossen werden muss. Wichtigste Botschaft sollte sein, dass bei Einhalten einer konsequenten glutenfreien Ernährung die Gefahr für Schwangerschaftskomplikationen reduziert werden kann und auch die Chancen schwanger zu werden, erhöht werden.